Gesund die Berge genießen

„Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“ (Arthur Schopenhauer).

Gesundheit erfährt in der Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert. Sport, wie zum Beispiel Wandern und Klettern, gehört nach Expertenmeinung zu einer gesunden Lebensweise dazu. Wie gesund sind diese Sportarten wirklich und was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff Gesundheit?

 

 
Kräfte tanken in der Natur. Foto: DAV/Marcel Dambon
Kräfte tanken in der Natur. Foto: DAV/Marcel Dambon

Gesundheit

Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“. Hier kommt der mehrdimensionale Aspekt von Gesundheit zum Ausdruck, wenngleich sich nur wenige Menschen über vollständiges Wohlergehen erfreuen dürften. Analog zum Bergwetter ist auch die Gesundheit diversen Hochs und Tiefs unterworfen. Diese gilt es auszubalancieren; was bedeutet, man ist nicht entweder gesund oder krank, sondern mal mehr vom einen oder mehr vom anderen. Gesundheitsforschende appellieren deshalb, das Thema ganzheitlich zu betrachten und sowohl persönliche Stressoren zu identifizieren und zu bekämpfen als auch stark machende Faktoren zu pflegen; zu letzteren gehört für viele der Bergsport.

 

Gipfelglück

Regelmäßige körperliche Bewegung ist zweifelsfrei eine Quelle für Gesundheit. Passionierte Bergsteiger*innen spüren dies und gehen nicht zuletzt deshalb ihrer Leidenschaft so gerne nach. Vorausgesetzt die Passung stimmt, dann hilft Wandern und Klettern auch nach Ansicht von medizinischen Fachleuten zur Stressbewältigung und zum „Krafttanken“. Das war schon vor über hundert Jahren bekannt. Bergsteigen galt als präventive Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit. Die Wirkung auf Funktion von Herz und Lunge, die Ausbildung der Muskulatur, die Festigung der Knochen, die Kräftigung der Bänder und Gelenke, die Anregung der Verdauungsorgane, des Blutkreislaufs, der Hauttätigkeit und der Nerven galten als wissenschaftliche und medizinische Begründungen des Bergsteigens (Anneliese Gidl in „Alpenverein. Die Städter entdecken die Alpen“). Dass gerade „sanftes“ Bergsteigen diese positiven Effekte erwirken kann, hat dazu geführt, dass Wandern in der Prävention und Rehabilitation und Klettern in der Physiotherapie heute sogar „verschrieben“ werden.

 

Gesundes Risiko

Unterwegs zum Gipfelglück. Foto: DAV/Jens Klatt
Unterwegs zum Gipfelglück. Foto: DAV/Jens Klatt

Das Besondere am Bergsport ist das Zusammenspiel von Wetter, Flora und Fauna, Höhe, Abgeschiedenheit und das Angewiesen-Sein auf die Tourenmitglieder. Je nach Ort und Schwierigkeit sind objektive und subjektive Gefahren zu berücksichtigen, die ein unterschiedliches Risiko für die Gesundheit ergeben. Abhängig vom persönlichen Können kann eine Tour Genuss sein, aber auch gesundheitliches Wagnis. Liegt die Tour im optimalen Risikobereich jenseits von Angst oder Langeweile, dann stellt sich für die Bergsteigenden eine hohe Selbstwirksamkeit ein, welche manche als Gipfelglück bezeichnen. Und ist Glücklich-Sein nicht sogar die höchste Stufe von Gesundheit?

 

Fordern statt überfordern

Ist Bergsport also per se gesund? Sicher nicht, vor allem, wenn man überholten pseudo-leistungssportlichen Maximen wie „Viel hilft viel“ oder „gesund ist, was hart macht“ auf den Leim geht. Dann stehen den positiven Auswirkungen auch Überlastungen und unfallbedingte Verletzungen gegenüber. Dennoch sollte man sich gelegentlich die Fragen stellen: Gehe ich nicht viel zu schnell den Berg hoch? Muss ich den Griff bis zum Anschlag durchziehen? Mehr Leistung braucht auch mehr Erholung und Regeneration; und die fehlen im hektischen Alltag zwischen Beruf und Familie häufig, so dass die Wahl der richtigen Intensität zur Gratwanderung wird.

 

Genussbergsteigen

Ein Messinstrument für die richtige Dosierung ist das Genussempfinden: Kann ich mich beim Gehen noch unterhalten? Fühle ich mich erholt? Das Ausbalancieren von Belastung und Überlastung erfordert eine Menge Erfahrung. Es ist keine Schande, diese in erfahrene Hände von Tourenleiter*innen und Trainer*innen in einer Alpenvereinssektion zu legen. Dies fördert einen weiteren gesundheitlichen Schutzfaktor: den sozialen Austausch. Denn was ebenso wie körperliche Überlastung krank macht, ist Einsamkeit. Diese kann vermeiden, wer in Seilschaft klettert, in der Gemeinschaft wandert oder etwas im Verein unternimmt. Wenn der Begriff auch etwas aus der Mode ist, die Bergkameradschaft hat auch für die „soziale Fitness“ der Bergsteigenden im 21. Jahrhundert noch eine große Bedeutung. Wenn man also bewährte Weisheiten mit neuen Erkenntnissen kombiniert, dann dürften die größten positiven Effekte für die Gesundheit herausspringen. Und so brauchen sich arrivierte Bergsportbegeisterte nicht schämen, wenn sie nach der Tour etwas Wellness betreiben.